Zwischen Fachidiot und Generalist
Wer ein Bachelorstudium ohne Medienbezug wählt, muss den Berufswunsch Journalist begraben? Nein! Einige Masterstudiengänge in Journalismus nehmen auch Fachfremde auf – zum Beispiel in Mainz. Dr. Thomas Hartmann ist dort Geschäftsführer des Journalistischen Seminars. Im Interview mit Valentin Betz spricht er über Fachwissen, Allgemeinbildung und den Faktor Glück.
Praxiskiste: Herr Dr. Hartmann, der Master Journalismus an der Universität Mainz setzt keinen Bachelorabschluss in einem verwandten Fach voraus. Was war der skurrilste Abschluss, der zum Studium bei Ihnen zugelassen wurde?
Dr. Thomas Hartmann: Seit Bachelor und Master eingeführt wurden, kommen die meisten Bewerber aus Studiengängen, die irgendwas mit Medien zu tun haben. Das ist sehr schade. Ich kann mich an keinen skurrilen Abschluss erinnern, der weit vom Journalismus entfernt gewesen wäre. Ohnehin wäre ein solcher Abschluss für uns nicht schlimm, denn: Je weiter vom Journalismus entfernt, desto wichtiger für den Journalistenberuf.
Worin sehen Sie die Vorteile eines fachfremden Bachelors für das Masterstudium Journalismus?
Das ursprüngliche Konzept sah vor, das Fachwissen aus dem Erststudium mit einer handwerklichen, trotzdem wissenschaftlichen Journalistenausbildung an einer Universität zu verbinden. Das Handwerkszeug des Journalismus aus dem Master soll das Fachwissen aus dem Grundstudium ergänzen – damit Journalisten verstehen, wovon sie schreiben. In den letzten Jahren sind durch die Beliebtheit der Medienfächer besonders die Bewerber stark, die aus einem solchen Fach kommen. Das ist aus Sicht der Universität Mainz suboptimal, weil der Journalismus eigentlich Leute aus allen möglichen Fachgebieten braucht: Sie sollen das Fachwissen im Journalismus aufrechterhalten.
Der Master in Mainz erfordert eine Eignungsprüfung, in der ein breites Allgemeinwissen abgefragt wird. Das spezielle Fachwissen reicht für den Beruf offenbar doch nicht aus?
Wir wollen keine Fachidioten für bestimmte Ressorts ausbilden, sondern Generalisten. Die Studenten können schlecht absehen, in welchem Bereich sie später arbeiten werden. Eine gute Allgemeinbildung ist immer noch die Basis, um den Job vernünftig ausüben zu können. Die Zeit reicht häufig nicht, um sich einzuarbeiten. Journalisten können nicht wissenschaftlich arbeiten, sondern müssen schnell und korrekt sein und Sachverhalte gut einschätzen können.
Welchen Vorteil hat ein Master in Journalismus gegenüber dem Einstieg über ein Volontariat, Praktika oder Hospitanzen?
Ein Vorteil ist sicherlich die Generalistenausbildung. Die gibt es in einem Volontariat bei einem Verlag oder einer Rundfunkanstalt nicht. Auch wenn letztere inzwischen versuchen bimedial oder trimedial auszubilden, werden nicht sämtliche Bereiche abgedeckt. Damit haben Nachwuchsjournalisten keine Chance, sich ein bisschen auszuprobieren. Sie müssen feststellen, was sie am meisten reizt, wo sie die besten Leistungen erbringen und was ihnen am meisten Spaß macht. Der zweite Punkt ist, dass der Master an der Universität angesiedelt ist. Die Lehrenden hier forschen auch. Die Erfahrungen und Ergebnisse aus der Forschung fließen in die Lehre mit ein. Das kann in einem Volontariat nicht gegeben sein.
Fehlt denjenigen die Praxis, die sich für den Einstieg über ein Bachelor- oder Masterstudium entscheiden?
In unseren Masterstudiengang in Mainz sind Praxisphasen eingebaut. Vorgeschrieben sind zwar nur zwei sechs- bis achtwöchige Redaktionspraktika – in der Regel werden während der zwei Jahre Masterausbildung drei, manchmal sogar vier gemacht. Viele kommen bereits mit Praktika zu uns, die sie während des Bachelorstudiums absolviert haben. Das heißt wir decken hinreichend Praxiserfahrung ab. Natürlich kann man das nicht mit einem Volontariat vergleichen. Denken Sie nur an die Ausbildung beim ZDF: Volontäre haben dort ein halbes Jahr theoretische Ausbildung und ein Jahr Praxis. Da kommen wir während des Masterstudiengangs nicht ran.
Sollten Nachwuchsjournalisten zusätzlich zum Masterstudium privat Erfahrungen sammeln?
Ein bisschen Praxiserfahrung aus Praktika hilft allein schon bei der Eignungsprüfung. Sie müssen sich vorstellen: Wir haben 300 Bewerber, von denen kommen vielleicht 200 zur Eignungsprüfung und letzten Endes werden 25 aufgenommen. Die wenigsten packen die Eignungsprüfung mit einem Studium, aber keinerlei journalistischer Erfahrung. Außerdem hilft die Praxiserfahrung, um in den Beruf einzusteigen. Eigentlich war der Master als Alternative zum Volontariat gedacht. In letzter Zeit kommt es oft vor, dass Absolventen trotzdem noch ein Volontariat machen, um Zugang zu einem bestimmten Sender zu bekommen. Zum Deutschlandfunk oder ZDF zum Beispiel.
Betrachten Arbeitgeber den Master nicht als Alternative zum Volontariat?
Im Fall des ZDF kenne ich die Situation ein bisschen besser, die bilden ihren eigenen Bedarf aus. Die einzelnen Redaktionen müssen Bedarf angemeldet haben, bevor weiteres Personal eingestellt wird. Außerdem bildet das ZDF fürs eigene Haus aus. Das heißt sie investieren unheimlich viel Muße und nehmen viel Geld in die Hand um die Leute so auszubilden, wie sie es gerne hätten.
Der Spiegel hat 2004 Chefredakteure zitiert, die sagen: „Studiert irgendetwas – aber bloß nicht Journalistik!“ Was entgegnen Sie diesem Satz aus heutiger Sicht?
Damit ist das alleinige Journalismusstudium gemeint. Wenn Sie Medienwissenschaften oder Publizistik studieren, sind Sie Kommunikationswissenschaftler – aber kein Journalist. Sie sind weit weg von der Praxis: Sie können die Darstellungsformen nicht und haben kaum Praxiserfahrung. Solche Leute sind im Journalismus nicht gefragt. Gebraucht werden Fachleute, die gleichzeitig das journalistische Handwerkszeug beherrschen. Insofern ist das keine Kritik am Journalismusstudium. Jemandem, der nur Journalismus studiert hat, fehlt die Fachkenntnis, um in einem bestimmten Ressort wirklich gut arbeiten zu können.
Heutzutage gibt es mehr Möglichkeiten denn je, in den Journalismus einzusteigen. Wie sieht Ihrer Ansicht nach der „Königsweg“ in den Journalismus aus?
Was heißt Königsweg? Das hängt immer von der einzelnen Person ab und in welchen Bereich diese gehen will. Letzten Endes ist ein entscheidender Faktor auch Glück. Man muss im richtigen Moment an der richtigen Stelle sein. Es gibt viele Fälle – früher häufiger als heute – in denen Praktikanten ein Stellenangebot bekamen, weil sie sich gut angestellt haben. Man kann nicht sagen es gibt einen Königsweg. Es gibt auch Schüler, die nebenher journalistisch gearbeitet haben und mit dem Abitur in der Tasche direkt bei einer der großen Journalistenschulen landen.
Zur Person
Dr. Thomas Hartmann ist wissenschaftlicher Angestellter am Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er ist unter anderem für die Geschäftsführung, Fachstudienberatung und redaktionelle Praktika im Masterstudiengang Journalismus zuständig. Er selbst hat Publizistik, Soziologie und Psychologie studiert.