Praxiskiste | Jemand, der zu uns kommen will, darf zu uns kommen!
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»Jemand, der zu uns kommen will, darf zu uns kommen!«

Aufregende Zeiten erlebt die Verlagslandschaft im Zuge der Digitalisierung. Aber gerade dieser Umbruch könnte das Berufsfeld spannend machen. Jana Trispel ist Herstellungsleiterin im geisteswissenschaftlichen Verlag Mohr Siebeck. Robert Boden hat mit ihr für Praxiskiste über Praktika, Digitalisierung und die Zukunft des Verlagswesens gesprochen.

 

Praxiskiste: Frau Trispel, bevor wir über den Berufseinstieg heutzutage sprechen: Könnten Sie uns kurz erläutern, wie Sie selbst ins Verlagswesen gelangten?

Jana Trispel: Ich habe 4 Jahre lang in Leipzig an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Verlagsherstellung studiert. Währenddessen habe ich ein halbjähriges Pflichtpraktikum in einem kleinen Regionalverlag in meiner Heimat gemacht und danach hier als Verlagsherstellerin angefangen. Es war vor 12 Jahren noch keine gängige Praxis, dass man über Praktika und Volontariate erst auf eine Stelle hinarbeiten musste. Angebote gab es tatsächlich noch auf dem freien Markt. Die meisten meiner Kollegen sind allerdings gelernte Verlagsbuchhändler; es gibt also auch einen Ausbildungsberuf dazu.

Bietet der Mohr Siebeck Verlag Praktika an?

Wir bieten verschiedene Praktika bei uns im Verlag an. Vor allem im Bereich der Lektorate haben wir viele Literaturwissenschaftler, Juristen und Theologen, die ein Praktikum oder Volontariat gemacht haben – also Fachspezifische. In der Herstellungsabteilung oder im Marketing suchen wir immer Praktikanten, die ihre studienbegleitenden Pflichtpraktika bei uns machen wollen. Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass das nur Wenige möchten, weil es ein sehr spezieller Bereich ist.

Was sollte man außer der Ausbildung mitbringen?

Wir erwarten einen aktuellen, wissenschaftlichen Bezug: Was macht sich in der Branche? Was für Themen werden im Studium behandelt, die vielleicht gar nicht bei uns – Vorreiter sind die Publikumsverlage, unsere Hauptkunden haben wir eher in den Bibliotheken – bekannt sind? Wir suchen also jemanden, der neues Know-how mitbringt und uns in unserer täglichen Arbeit unterstützt.

Gewichten Sie technische Kenntnisse schwerer als Fachwissen zu den Inhalten des Verlags?

Wenn man ein Praktikum im Lektorat machen möchte, braucht man einen fachlichen Bezug zu Jura oder Theologie. Wir haben selbst jahrelang ausgebildet und wissen einfach, wie lange es dauert, jemanden an das Buch heranzuführen. Man braucht aus dem Bereich der Medien gewisse Vorkenntnisse, aber wir wissen, dass der Praktikant jemand ist, den man anlernen und anleiten muss. Das soll auch das erklärte Ziel sein. Es ist nicht unsere Intention, dass wir unsere Kapazitäten mit Praktikanten auffüllen, um Kosten zu sparen und unseren Laden am Laufen zu halten.

Wie groß ist die Konkurrenz bei den Bewerbungen?

Auf Stellenausschreibungen erhalten wir nur sehr wenige Bewerbungen. Meist ist es bei den Volontariaten so, dass die Bewerber an uns herangetreten sind und dann der ein Volontariat erhalten hat, der eins wollte. Volontariate haben wir selbst noch nie ausgeschrieben. Jemand der zu uns kommen will, darf zu uns kommen. Wir haben alle Formen in allen Bereichen, auch Schülerpraktika.

Ihr Verlag gehört zu den Mitbegründern des Projekts DigiZeitschriften. Welche Veränderungen bringt die Digitalisierung im Verlagswesen mit sich?

Man muss schon im Auge behalten, dass man wissenschaftliche Inhalte nicht so einfach digitalisieren kann, wie es mit einem platten Romansatz geht. Da gibt es bis zu zwölf Überschriftsebenen und Kleindruckfußnoten. Im digitalen Produkt will man auch die Funktionen des Buches nutzen können, da gehört das Register natürlich dazu. In einem E-Book gibt es keine klassischen Seitenverweise mehr, es geht auch um die Zitierfähigkeit. Bei den Zeitschriften bieten wir das schon länger an. Bis jetzt ist unser Hauptprodukt aber immer noch das Buch. Aus den pdf-Druckdaten bereiten wir das E-Book auf. Das ist nicht ganz zeitgemäß. Eigentlich fängt man an, den Datensatz medienneutral im XML-Format vorzuhalten und dann die verschiedenen Ausgabekanäle zu bespielen. Damit fangen wir gerade an. Wir wollen uns ein Content Management System anschaffen, also einen Ablageort für diese Datensätze, und damit gewisse Verlagsprozesse abwickeln, dass z. B. automatisch Cover erstellt werden. Außerdem bereiten wir eine eigene E-Library vor. Das ist eine Plattform, auf der wir unsere digitalen Produkte selber anbieten, weil man sich sonst den Strukturen der externen Dienstleister anpassen muss, z. B. was Rabatte anbelangt.

Wagen wir zuletzt einen Ausblick: Sehen Sie die Zukunft der Verlage bedroht?

Nein. Aber es stellt ein Problem für die Verlage dar, dass Universitäten ihren Wissenschaftlern zur Auflage machen, Veröffentlichungen Open Access zu publizieren. Sie schaffen Plattformen, auf denen Wissenschaftler nicht gezwungen werden, ihre Bücher über einen Verlag, sondern online zu veröffentlichen. Wir erleiden als Verlag Einbußen, wenn Schriften über Open Access verfügbar sind. Das wird die Verlagsbranche sicherlich kleiner werden lassen, zumindest im wissenschaftlichen Bereich.

Zur Person
Jana Trispel arbeitet seit 11 Jahren im Mohr Siebeck Verlag, seit zwei Jahren als Herstellungsleiterin. Mohr Siebeck ist ein traditionsreicher Verlag in Tübingen, der sich auf wissenschaftliche Publikationen überwiegend aus Jura, Theologie und Geschichte spezialisiert hat.