Interview mit Alexander Frank – Teil 1: Die Verlagswirtschaft – Zwischen Digitalisierung und dem bleibenden Wert von Büchern
»Das ist so das Spektrum.«: Mit diesem kurzen Satz schließt Alexander Frank die Zusammenfassung seines beruflichen Werdegangs ab. Eine Vita, die einen Teil des Spektrums der Verlags- und Kreativwirtschaft abdeckt. Schon bei unseren Recherchen fiel uns die Fülle der Tätigkeiten auf und im direkten Gespräch stellen wir uns an der einen oder anderen Stelle die Frage: Schläft Herr Frank auch irgendwann mal?! Er selbst sagt: »Ich habe das nicht von Anfang an so geplant. Die Entwicklung bis heute ergab sich während des Gehens – Schritt für Schritt.«
Wir treffen Alexander Frank wenige Kilometer außerhalb Tübingens. Als wir vor einem sanierten Altbau stehen an dessen Glasfront zahlreiche Firmennamen prangen, ist uns klar, dass wir hier an der richtigen Adresse sind. Das Interview beginnt mit einem Eingeständnis unsererseits. Wir wissen, was unser Gesprächspartner alles tut und getan hat, haben aber irgendwann den Überblick verloren. Wie ist es dazugekommen, dass Alexander Frank ein so breites Spektrum abdeckt, wie ist er dahin gekommen, wo er jetzt ist?
Alexander Frank hat ursprünglich Soziologie, Geografie und Ethnologie studiert. Eine Auswahl von Studienfächern, die ihn zu der Frage brachte: »Kann man davon leben oder was soll man damit machen?! Eine Frage, die Sie vielleicht auch kennen. Ich wusste es auch nicht.« Über ein Praktikum bei einer Multimedia-Agentur schaffte er dann den Einstieg: »Die haben mir Spaß gemacht, ich denen und dann bin ich da geblieben.« Zeitgleich fand seine Frau, eine studierte Kunsthistorikerin, über eine Stellenausschreibung einen Autorenjob im LEGAT Verlag – ein Kunstbuch Verlag. Was dazu führte, dass Frank begann das Verlagshaus bei grafischen Arbeiten zu unterstützen. »Der Grafiker war für meinen Begriff schweineteuer – heute würde ich sagen, er hat normal abgerechnet (lacht)– und hab dann gesagt, aber das können wir doch selbst machen.« Seine Frau »war dann relativ schnell Mädchen für alles – von Bildrechtebestellungen bis zum Lektorat«, Frank übernahm weiterhin grafische Arbeiten und so sind beide ins Verlagswesen gerutscht: »Was auch nicht so untypisch ist im Verlagsbereich.« 2004 übernahm das Ehepaar dann die LEGAT Verlag GmbH & Co. KG. Alexander Frank arbeitete parallel weiter als Geografiker, also als Grafiker im Schulbuchbereich Geografie. Mit der Geburt der Kinder musste dann aber eine Planänderung her: »Und danach war es dann so, dass man gesagt hat ‚okay, wovon will man jetzt eigentlich wirklich leben…wenn man vorher Preise anbietet, die andere vielleicht nicht als marktgerecht empfinden und selbst sagt, dafür bin ich frei. Aber wenn man dann seine Zeit einteilen muss, weil man jemanden versorgt, dann reicht das eben nicht mehr aus.«
Frank fing daher an seine zuvor nebenher laufende Agentur wieder in den Fokus zu nehmen, lernte Leute kennen, kooperierte mit ihnen und gründete eigene Firmen mit den jeweiligen Partnern. Das Resultat sind die Agentur fürs Handwerk GmbH, die MCR Unternehmensberatung GmbH und die Agentur die:umsetzer. Nebenher läuft noch die Verlagsarbeit – »ist jetzt aber nicht mehr das, wovon wir als Familie leben, weil es im Verlagsbereich sehr schwierig ist« -, Seminare an der Uni, Vortragsreihen, Workshops und einiges mehr.
Und obwohl uns an diesem Punkt des Gespräches brennend interessiert, mit wie wenig Schlaf der Mensch auskommen kann und man dieses Interview schnell zur Expertenbefragung zum Thema Time Management machen könnte, halten wir uns zurück. Es soll ja schließlich um die Verlags- und Kreativwirtschaft gehen.
Da Alexander Frank ein wirklicher Experte auf seinen Gebieten ist, haben wir uns dazu entschlossen drei Teile aus dem Interview zu machen.
Heute gibt es Teil 1: Die Verlagswirtschaft – Zwischen Digitalisierung und dem bleibenden Wert von Büchern.
Praxiskiste: Wenn ich in das Verlagswesen einsteigen möchte, ist es dann besser einen thematischen Schwerpunkt zu haben und über den reinzurutschen – wie zum Beispiel ihre Frau über die Kunsthistorie – oder kann mir auch als themenunabhängiger Kommunikationsexperte der Einstieg gelingen?
Alexander Frank: Einen thematischen Schwerpunkt zu haben ist, denke ich, überall bei den Verlagen praktisch, wo es den thematischen Bezug gibt. In einem normalen Verlag, der belletristisch unterwegs ist, würde die Kunsthistorie zum Beispiel nichts nutzen. Aber es gibt ja auch zahlreiche Bereiche wie zum Beispiel Lektorat und Marketing. Und dieses Mädchen-für-alles-Phänomen wie bei meiner Frau, wo ich Geisteswissenschaftler immer sehr stark sehe, weil die breit denken. In kleineren Verlagen fallen vielfältige Aufgaben an – von organisatorischer bis hin zu auch mal inhaltlicher Art. Und da ist es dann ein Vorteil, wenn man eher generalistisch aufgestellt ist und die Fähigkeit hat, sich Themen immer wieder neu anzueignen.
Spüren Sie im LEGAT Verlag die Digitalisierung? Sie verlegen ja Kunstbücher und hier wie bei vielen anderen Themenbereichen, bieten das Internet und das Smartphone uns ja ständig und überall den Zugang zu Wissen an. Kaufe ich dann überhaupt noch ein Buch über Kunst?
Die Digitalisierung drückt allgemein auf den Buchmarkt. Da sind zum einen natürlich die Ebooks – die nehmen immer mehr zu, es ist noch nicht wie in Amerika, aber es nimmt einfach zu. Und in Bildungsthemen ist das Internet dann gleichzeitig auch ein Forum. Für viele Museen ist ein Katalog zwar immer auch ein Statussymbol, aber eben auch ein Zeitdokument. Man kann also dokumentieren, was man alles mitgemacht hat. Und je schöner und je prächtiger und je besser der Name des Verlags ist, trägt es auch zum Renommee des Museums bei. Nichtsdestotrotz ist der Trend auch dort die Digitalisierung und wenn ich mir als Besucher jetzt alles auf dem Handy anschauen kann, ist keine große Bereitschaft da, viel Geld für einen Katalog zu zahlen. Wir haben auch tolle Kataloge gehabt und einen haben wir zum Beispiel für 29 Euro verkauft und der wurde schlecht verkauft. Selbe Ausstellung, selber Katalog – der war mehrsprachig – in Thessaloniki: Die haben damals 40 Euro bezahlt und der wurde dort viel besser verkauft. Das heißt dort ist die Schätzung des Kulturgutes Buch zu dem Zeitpunkt höher gewesen.
Und gibt es dann auf lange Sicht gesehen überhaupt noch eine Chance für Verlage? Beziehungsweise gibt es vielleicht eine Strategie, wie man der Digitalisierung begegnen kann?
Ja, ich denke auf jeden Fall, dass es Chancen gibt. Das erste, was sich ändern wird, ist die Publikationsform. Das geht stärker in Richtung Ebooks rein. Wenn man die Ebooks mit anbietet, muss man nur sehen, wie man die kalkuliert. Weniger lesen werden die Leute, glaube ich, nicht. Für viele, zumindest auf dem deutschen Markt, ist es nach wie vor so, dass ein Buch zum Anfassen da sein muss. Es haben sich allerdings die Vorteile des Ebooks rumgesprochen – nehme ich zehn Bücher oder ein Lesegerät mit in den Urlaub, wenn ich endlich mal Zeit zum Lesen habe? Oder morgens beim Pendeln… Das führt aber noch nicht notwendigerweise dazu, dass ein Verlag verschwinden muss. Es ist für kleinere Verlage schwerer, weil sie beim Digitalen ja ein digitales Rechtemanagement haben müssen und das kostet. Man kann also einen Dienstleister einkaufen, der das fertige Buch bei Amazon, Apple und den deutschen Seiten einstellt. Dafür wollen die aber natürlich ein paar Prozentpunkte vom Erlös haben. Die Leute sagen ja immer, dass das Ebook günstiger sein muss, weil der Verlag ja keine Druckkosten hat – das ist eine Milchmädchenrechnung. Erstens habe ich Kosten, die der Staat kriegt. Zweitens sind da die Rechtekosten. Und drittens ist nicht gesichert, dass ich für jedes Buch, das ich digital verkaufe, die gleiche Menge gedruckt absetze. Das heißt kalkulationstechnik muss man einfach sehen, in welche Richtung sich das entwickelt. Es ist aber auf jeden Fall ein Markt da, vor allem gilt in einigen Bereichen, dass das Ebook gerade von Personen gekauft wird, die ansonsten das Buch gar nicht erworben hätten. Für kleine Verlage allerdings schwieriger. Im Kunstbereich zum Beispiel. Es wäre mein Anspruch es multimedial zu machen, wenn wir digital arbeiten. Aber das bezahlt einem dann ja keiner. Der Kunde nicht. Der hätte es gerne, aber der zahlt nicht dafür.
Gerade im Bereich Medien und Kommunikation ist freiberuflich arbeiten ja ein großes Thema. Wie ist das im Verlagswesen?
Es gibt sicherlich in dem Verlagsbereich viele Freiberufler. Je größer die Verlage werden, desto mehr gibt es ›geordnete‹ Strukturen. Wir haben in Deutschland circa 2000 Verlage. Allerdings sind 80 Prozent davon keine großen Verlage. Und die brauchen natürlich Leute, die ihnen zuarbeiten und die sie nicht die ganze Zeit beschäftigen müssen. Die haben nicht das Geld dafür. Man kann jedoch auch für den Freiberufler sagen, dass das jetzt kein Markt ist, wo viel Geld drin steckt. Einen Roman zu lektorieren, da kriegen sie so zwischen 600 und 800 Euro. Da müssen sie natürlich einige lektorieren, um das Einkommen zu haben, was man sich vielleicht wünscht. Ist ja auch kein großer kreativer Input… Covergestaltung, Marketing oder PR ist aber auf jeden Fall etwas, dass sich ein Verlag in der Regel einkauft.
Wie ist das mit dem Marketing? Ist es besser ich habe jemanden, der ausschließlich Marketing im Verlagswesen macht, weil der weiß, wie der Hase läuft oder ist das marketingtechnisch nicht großartig anders im Vergleich zu anderen Bereichen?
Ich denke, es ist hilfreich, wenn die Leute wissen, wie der Buchmarkt funktioniert. Es ist ein bisschen anders bedingt dadurch, dass es in der Regel kein großes Budget für Werbemaßnahmen gibt. Also wenn man einen Roman nimmt, ist die Kalkulation, glaube ich, fünf Prozent. Damit können sie gar nicht so viel machen. Es braucht daher Leute, die ein Gespür dafür haben, wie man mit günstigen Werbemitteln eine große Wirkung erzielt. Für kleine Verlage sind zum Beispiel Lesungen typisch – die kann man auch PR-mäßig gut nutzen. Und man kann Buchhändler gut mit einbinden, wenn sie dort Kontakte aufbauen, können sie die immer wieder nutzen. Letztlich geht es immer auch um Sichtbarkeit.
Und digitales Marketing im Verlagswesen? Gibt es das? Macht das Sinn?
Ja, auf jeden Fall! Das erste, was passiert und das ist Standard, ist, dass die Bücher gelistet werden. Von dort wird das an die Buchonlineshops weitergegeben. Damit ist ihr Buch online sichtbar noch bevor es vielleicht gedruckt wurde. Das heißt, dass wenn jemand das Thema bei Google sucht, findet er das Buch. Und da sehe ich jetzt die größte Chance für das Marketing – ich muss die Zielgruppe kennen und wissen, wo ich sie anspreche. Und Social Media ist ja schließlich mehr ein Tauschgeschäft von Informationen, Anreizen und dann dem Teilen. Das ist kein Beschallungskanal. Also man kann das so nutzen, aber funktioniert in der Weise einfach nicht. Grundsätzlich ist das PR-Geschäft groß im Verlagsbereich – man will, dass andere über einen reden. Zum Beispiel Rezensenten. Das hat auch eine ganz andere Kraft. Wenn man so richtige Marketingaktionen will, dann muss man eher zu den größeren Verlagen. Aber ich muss sagen, manche Sichtbarkeit durch Marketing bringt einem fast nichts. Es geht um Sichtbarkeit bei den relevanten Zielgruppen. Da muss man die Nutzen-Aufwand-Relation abwägen.
Von Hanna Schlieder