Am besten Südwesten? - Praxiskiste
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Am besten Südwesten?

Wer ein journalistisches Volontariat beim SWR macht, sollte seinen Koffer immer griffbereit haben. Ein Feature von Lena Liebich.

 

Stuttgart, Kaiserslautern, Mainz, Mannheim, Friedrichshafen, Baden-Baden, Berlin. Innerhalb von 18 Monaten zehn Mal umziehen. »Das ist schon ’ne gewisse Belastung«, sagt Michael Eiden. »Du entdeckst irgendwann den Spießer in dir.« Eiden hat ein journalistisches Volontariat beim SWR gemacht; im März ging für ihn eine abwechslungsreiche Zeit zu Ende.

Zwei Mal im Jahr kann man sich für ein Volontariat beim SWR bewerben. Eingestellt werden die Volontärinnen und Volontäre, die sogenannten Volos, in der Regel zum 1. April bzw. zum 1. Oktober. Die Bewerbungsfrist endet üblicherweise sechs Monate vor dem jeweiligen Einstellungstermin.

Abitur oder Fachhochschulreife sind Voraussetzung; ein abgeschlossenes Studium ist wünschenswert. Die Fachrichtung spielt dabei keine große Rolle. Mitbringen sollte man jedoch vielfältige journalistische Erfahrungen, zum Beispiel in Form von Praktika oder Hospitationen. Kenntnisse im Umgang mit sozialen Netzwerken und Interesse an den Möglichkeiten der neuen Medienwelt sind von Vorteil. Unverzichtbar ist ein breites Allgemeinwissen sowie sehr gutes Deutsch in Wort und Schrift. Kreativ sollte man sein und sich auch für unkonventionelle Themen begeistern können. In jedem Fall sollten die Bewerber flexibel sein und einen Führerschein besitzen.

–– »Film in eigener Sache« ––

Die Bewerbung erfolgt online. Gefordert werden zudem drei bis sechs Arbeitsproben und ein maximal zweiminütiges Bewerbungsvideo. Christiane Kirsch, Ausbildungsbeauftragte des SWR, betont, der SWR sei keinesfalls Teil der Casting-Gesellschaft. Vielmehr gehe es darum, sich ein Bild von der Bewerberin oder dem Bewerber zu machen. Denn Anschreiben und Lebenslauf seien häufig standardisiert und wirkten dadurch leb- und farblos. Dieser »Film in eigener Sache«, so Kirsch, diene als Ergänzung und könne durchaus entscheidend sein. Der Bewerber selbst muss nicht unbedingt vor der Kamera erscheinen. Die Arbeitsproben hingegen sollen die bereits gesammelten journalistischen Erfahrungen belegen. Es kann sich dabei um Texte, Videos oder Audios handeln. Optimal ist, wenn alle drei Bereiche abgedeckt sind. Das Bewerbungsvideo und die Arbeitsproben zeigen, ob jemand das nötige Talent besitzt. Aus rund 500 Bewerbern werden 20 zu einem dreitägigen Auswahlverfahren eingeladen. Bis zu zehn Volos werden schließlich eingestellt.

Bei Michael Eiden hat es geklappt. Er war einer von acht erfolgreichen Finalisten. Sein Volontariat begann im Oktober 2014. Begegnet ist ihm der SWR schon früher: zuerst beim Berufspraktikum in der Schulzeit, später beim Studium im Praxissemester und als freier Mitarbeiter in den Semesterferien. Eiden bezeichnet sich deshalb scherzhaft als »SWR-Kind«. In Konstanz studierte er Politik und Verwaltung. In Mainz schloss er mit einem journalistischen Master ab. Nach einer Stelle als freier Mitarbeiter bei der Motor Presse und der Zeitung Die Welt war eines für ihn klar: »Rundfunk ist doch ’nen Ticken geiler als Print.«

–– Ein Volontariat, drei Medien ––

Die 18-monatige Ausbildung beim Rundfunk ist praxisorientiert und trimedial. Fernsehen, Hörfunk, Online – diese drei Medien lernen die Volontäre kennen. Sie besuchen Seminare und gestalten multimediale Projekte. Von Anfang an arbeiten die Volos in den unterschiedlichen Redaktionen und dürfen dabei eigene Programmideen verwirklichen. Auch große Veranstaltungen wie die Tourismus-Messe CMT in Stuttgart, den Maimarkt in Mannheim oder das SWR3 New Pop Festival gestalten die Volontäre aktiv mit. Das erste Jahr ist in Kurs- und Praxisblöcke aufgeteilt. Theorie und Praxis sind auf diese Weise eng miteinander verknüpft. Im letzten halben Jahr spezialisiert sich jeder Volontär und gestaltet diesen Teil der Ausbildung individuell. »Das ist dann ein Wünsch dir was‘«, sagt Michael Eiden. Eine Prüfung wie bei anderen Ausbildungen gibt es nicht. Nach jeder Redaktionsstation erhält man jedoch eine Beurteilung und am Ende ein Ausbildungszeugnis.

Die Volontäre durchlaufen elf Redaktionen an den drei Hauptstandorten Stuttgart, Baden-Baden und Mainz, in kleineren SWR-Studios in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und eventuell auch in Berlin. „Du bekommst einen absoluten Rundumblick“, erzählt Eiden. „Als Volo ist man mobil.“ Ein Highlight war für ihn beispielsweise die Bregenzer Festspiele. Als Teil des SWR-Teams konnte er bei diesem Ereignis am Bodensee hautnah dabei sein.

–– Perspektive für danach: feste freie Mitarbeit ––

Das Gehalt ist nach Halbjahren gestaffelt und kann je nach Tarifänderung variieren. Im Moment steigen Volontäre bei 1862 Euro brutto ein; es folgen 1966 Euro und im letzten Drittel 2070 Euro. Nach dem Volontariat sind die Perspektiven gut, eine Übernahmegarantie gibt es laut der Ausbildungsbeauftragten Kirsch jedoch nicht. Bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden Volontäre meist als sogenannte feste freie Mitarbeiter übernommen. Es handelt sich um keine Festanstellung, ist aber dennoch eine relativ gesicherte Tätigkeit mit fairem Honorar und Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld.

Nach dem Ende seines Volontariats ist Michael Eiden dem Südwesten treu geblieben: Seit April arbeitet er als Reporter im SWR-Studio Friedrichshafen. Ein journalistisches Volontariat beim SWR würde er auf jeden Fall weiterempfehlen: „Du machst beim SWR keinen schlechten Deal.“ Man sammle nicht nur journalistische Erfahrungen, sondern knüpfe auch zahlreiche neue Kontakte. Auf die Frage, ob er diesen Weg wieder gehen würde, antwortet er ohne zu zögern: „Wenn ich noch einmal die Chance dazu bekäme.“

 

Lena Liebich

Lena Liebich (Gastautorin) Die Studentin der Medienwissenschaft und Romanistik (Spanisch) ist zwischen PR und Journalismus hin- und hergerissen. Wenn es die Zeit erlaubt, geht sie gerne joggen und verschlingt Bücher.