»Angst tötet Kreativität.«
Seinen Weg hat er nie fest geplant. Per Zufall hat sich alles nach und nach ergeben. Journalist und Redaktionsleiter des Tübinger CampusTV, Oliver Häußler, spricht im Praxiskiste-Interview mit Amelie Hambrecht über das kollegiale Du und Chancen für angehende Medienpraktiker.
Amelie Hambrecht: Wir beide kennen uns über CampusTV; du bist dort Redaktionsleiter – mir ist gleich die offene Stimmung aufgefallen. Man duzt sich. Woher kommt diese Haltung?
Oliver Häußler: Journalisten sind eher Duzer; das sind Kollegen. Da kommt das so ein bisschen her. Ich bin schon ein Praktiker, der wissenschaftlich sehr interessiert ist im dem Bereich, wie Kommunikation funktioniert. Aber ich finde die Stimmung schöner. Es ist ein studentisches Projekt und man arbeitet anders miteinander, wenn man sich duzt. Man ist dann eher auf einer kollegialen Ebene als auf einer hierarchischen.
Welche Berufsbezeichnung würdest du dir geben?
Freiberuflicher Journalist. Ich würde mich aber eher im Bereich strategische Kommunikation und Beratung sehen. Mich interessiert nicht mehr das Produkt, sondern vielmehr Strategien zu entwickeln, wie Inhalte von Organisationen, von Menschen, von Institutionen – wie man die strategisch so kommuniziert, dass sie da ankommen, wo sie ankommen sollen.
»Schöne neue Medienwelt« – stimmst du dieser Beschreibung zu?
Ehrlich gesagt, ich genieße es. Ich finde ich es klasse, dass ich über die Algorithmen viel mehr mitbekomme, ausgewähltes mitbekomme. Ich kriege eher, was mich interessiert, als wenn ich Die Zeit, Süddeutsche Zeitung und alles abonniert hätte und mühsam durchlesen müsste. Deswegen gefällt mir die schöne neue Medienwelt extrem gut.
Was findest du an der Arbeit als Journalist besonders spannend?
Als Journalist finde ich Themen spannend, die mit Menschen zu tun haben. Im Prinzip dient mir so eine natürliche Neugier. Und man kann damit noch Geld verdienen. Auch Zugang zu Menschen und Räumen und Orten zu haben, die man normalerweise nicht hat. Das sind Welten. Das finde ich das Schönste an dem Beruf.
Falls es sie gibt: Wie sieht bei dir die Grenze zwischen Hobby und Job aus?
In dem Beruf ist man jemand, der 24 Stunden Journalist ist. Man reflektiert permanent. Ich kann manchmal keine Zeitung mehr lesen, ohne zu denken: »Meine Güte!« Aber das macht mir überhaupt nichts aus. Ich fände es langweilig, wenn es nicht so wäre.
Journalist – in welchem Moment hast du gemerkt, dass der Beruf etwas für dich sein könnte?
Ich war relativ viel Bergsteigen, Skitouren machen, Schneeschuhlaufen. Und wir hatten in der lokalen Tageszeitung bei uns immer die Rubrik »Ausflugstipp der Woche«. Und die Tipps waren schlecht geschrieben. Einfach langweilig ohne Ende. Dann hab ich gedacht: »Schlecht schreiben kann ich, so wie die anderen auch. Ich habe bessere Themen, ich probiere das einfach mal aus, denen das Thema anzubieten.« Das war vor 20 Jahren. Ich schrieb über etwas, das mit meiner Lebenswelt zu tun hatte, was andere nicht kannten. Das war der erste Zugang.
Nach seiner Vereidigung als US-Präsident äußerte sich Donald Trump: »Ich bin im Krieg mit den Medien« und Journalisten »gehören zu den unehrlichsten Menschen der Welt«. Wie sieht deine Meinung aus?
Das kann ich sicher teilweise unterschreiben. Zum Beispiel, wenn ich das Gefühl habe, das Ego des Journalisten ist wichtiger als das Thema. Wenn jemand für sich und seine Kollegen schreibt, aber gar nicht mehr denkt: »Ich habe Leser, ich habe Protagonisten, ich habe eine Verantwortung.« Da kann man den Bezug zur Welt verlieren. Es gibt Journalisten, die sich sehr gern inszenieren. Wenn ich gar nicht mehr das Gefühl habe, es geht ihnen um die Sache.
Hast du ein Lieblingszitat?
»Angst tötet Kreativität.« Das ist etwas, das ich in den Sendern immer wieder erlebe. Die Angst, auf der hierarchischen Ebene zu versagen und nach oben nicht zu genügen. Die Angst von Studis in Seminaren: »Mache ich das jetzt richtig?« Anstatt zu sagen: »Probiere es aus!«
Wo siehst du Hürden und Probleme beim Schritt von der Universität in die Arbeitswelt?
Die hauptsächlichen Hürden sehe ich gar nicht in den Ausbildungsinhalten. Ich sehe die meisten Hürden eher in der Mentalität, dass man sich nicht zutraut zu bestehen.
Was sollten wir Master-Studierenden leisten und lernen, damit uns der Berufsstart gut gelingt?
Keine Angst haben. Angst tötet Kreativität. Zutrauen. Optionen offen halten. Und dieses Handwerk, das lernt man ja permanent. Und einfach viel machen. Ihr könnt viel mehr, als ihr denkt. Behaupte ich mal.
Zur Person
Oliver Häußler hat Philosophie, Psychologie und Soziologie studiert. Zudem hat er ein Diplom als Medienpraktiker. Er ist Mitbegründer sowie Redaktionsleiter von CampusTV an der Eberhard Karls Universität Tübingen, freiberuflicher Journalist und betreibt mit Anna Ross die Firma Grasshopper Films, die auf strategische Kreativ- und Kommunikationskonzepte spezialisiert ist.