Große Chance oder große Blase?
Die Meinung über den Einfluss des Internets ist geteilt. Ersetzt das Internet den Fernseher? Was genau braucht es für den eigenen Erfolg? Und was ist Influencermarketing? Magnus Wacinski, ein Senior Producer von Studio71, liefert Antworten im Interview mit Viviane Strittmatter.
Praxiskiste: Was genau ist Studio71?
Magnus Wacinski: Studio71 ist eine Tochtergesellschaft von Pro7-Sat1 und wir sind ein Multichannel bzw. Multiplattform Netzwerk. Das heißt, wir sind eine Firma, die sogenannte Influencer – also Menschen, die mit ziemlich großer Reichweiter im Internet Einfluss üben – unter Vertrag hat. Multiplattformen bedeutet alle Plattformen in der ganzen Social Media Welt. Unser Fokus liegt auf YouTube, aber wir sind auch auf Facebook, Snapchat, Instagram und anderen Plattformen vertreten. Mit verschiedenen Abteilungen, von der Marketingabteilung über das Partnermanagement bis zu der Finanzabteilung und vielen mehr, geben wir den Influencern einen Rahmen, um ihren Erfolg weiter auszubauen. Wir integrieren zum Beispiel einzelne Influencer in Werbekampagnen und vernetzen sie so auch mit großen Brands.
Wie sieht dein Alltag bei Studio 71 aus?
Meine Aufgaben sind typisch für einen Produzenten: die Vorproduktion, Produktion und Postproduktion von verschiedenen Projekten. Meistens beschäftigt sich die Produktion mit „Branded Entertainment“, das heißt, wir haben große Firmen, die den Influencermarkt nutzen wollen und Konzepte für ihre Ideen brauchen, die wir für sie erstellen und dann in der Produktion umsetzen.
Kannst du davon ein genaues Beispiel geben?
Wir haben für den Studiokanal-Kinofilm „Nerve“ letztes Jahr eine YouTube-Miniserie gedreht, in der wir die Influencer in ihrer eigenen YouTube-Welt mit Filminhalten konfrontiert haben, und damit, was die Schauspieler in dem Film erleben. Das kam sehr gut an. Wir haben es durch diese Kampagne geschafft – nebst natürlich der anderen Vermarktung, die über Studiokanal lief –dass der Film in den deutschen Kino-Charts auf Platz eins war.
Was zeichnet das Produzieren für das Internet im Vergleich zur Fernsehproduktion aus?
Im klassischen TV-Markt gibt es viele bekannte Formate und Erfahrungswerte. Es gibt ein ganz klares „so wird es gemacht“. Der Web-TV-Bereich bietet dagegen neue Möglichkeiten und Wege. Im TV-Bereich sinken massiv die Quoten. Vergleicht man die Reichweiten miteinander, dann hat man im Fernsehen die Zuschauerquote und im Web-TV sind das die Clicks. Einige große Firmen haben erkannt, dass die Clicks sehr viel wert sein können. Fernsehen ist eine Top-Down-Strategie. Das heißt du bietest einem Nutzer Inhalte an, die er nur so konsumieren kann, wie du es anbietest. Dem gegenüber verfolgen die „neuen Medien“ eine Bottom-Up-Strategie. Das heißt, hier kann der Nutzer selbst entscheiden, welche Inhalte er wann konsumieren möchte. Er kann meist sogar mit dem Influencer direkt in Kontakt treten und interagieren. YouTuber gehen auf ihre Community ein. Die Community, also die Abonnenten bei YouTube, sind somit die zweite wesentliche Währung, die man auf diesem Format hat.
Stirbt das Fernsehen also aus?
Manchmal sagen die Leute der Interneterfolg ist nur eine Blase, die ganz groß wird, bis sie irgendwann platzt und dann alles den Bach runtergeht. Aber die Filmgeschichte entwickelt sich stetig und ich glaube, wenn man ganz aufgeschlossen ist neue Dinge auszuprobieren, dann ist es nie verkehrt ein bisschen Mut zu haben. Durch die Interaktion mit den Zuschauern wird YouTube authentisch. Es geht nicht darum etwas zu inszenieren oder einen künstlichen Charakter zu schaffen. Gerade der jungen Zielgruppe ist die Interaktion sehr wichtig und eben im klassischen TV nur bedingt möglich. Ganz stark merkt man den Erfolg dadurch, dass YouTube-Stars bei Teenagern bekannter werden, als Filmstars.
Welche Herausforderungen gibt es trotzdem?
Gefühlt dreht sich die Welt in den neuen Medien ein kleinwenig schneller. Das macht die Timings auch unglaublich wichtig. Dazu kommt, dass die Zeit ab der Auftragsvergabe eines Kunden bis zum komplett fertigen Filmwerk viel kürzer ist, als beim TV. Meistens gibt es weniger Budget und gleichzeitig viel mehr Zuschauer.
Was muss ich mitbringen, um in der Internetproduktion Spaß zu haben?
Die Bereitschaft sich in Projekte hineinzugeben. Du solltest kreativ und flexibel sein. Das klassische Handwerk ist nie verkehrt, aber das ist nicht alles. Hinter den Kulissen, im Netzwerk, wird auch sehr viel Analyse betrieben. Zusammen mit dem Feedback der eigenen Community bietet das die Grundlage für den eigenen Fortschritt. Darauf sollte man immer achten, aber ich glaube man muss einfach auch Lust darauf haben etwas zu machen, was den jungen Medien entspricht. Die Chancen sehen mit all dem, was dazugehört.
Zur Person
Magnus Wacinski, 36, lebt und arbeitet in Berlin. Nach vielen großen TV-Arbeiten, zum Beispiel als Tonmeister bei GZSZ, Werbefilm-, & Spielfilmproduktionen, entschied er sich in die Web-Branche zu Studio71 zu wechseln. Dort stellt er sich täglich neuen Herausforderungen der Filmproduktion und hilft jungen YouTubern mit großen Firmen zu kooperieren.