»Schicksal, Mühe, Arbeit und ganz viel Spaß«
Mit 20 ein Praktikum in einer der bekanntesten oppositionellen Zeitungen Russlands, mit 23 ein zweimonatiges bei „ZEITOnline” und dazwischen ein paar Monate als Gastredakteurin bei der „Deutsche Welle“– ein Kinderspiel, oder? Im Gespräch mit Anna Getmanova berichtet Anastasia Arinushkina, was ein guter Einstieg im Ausland fordert und was eine russische Redaktion von einer deutschen unterscheidet.
Praxiskiste: Anastasia, warum hast du ausgerechnet Deutschland für deine journalistische Karriere gewählt?
Anastasia: Ehrlich gesagt, habe ich Deutschland nicht gewählt. Ich würde sagen, Deutschland hat mich gewählt. Es gab viele deutsch-russische Projekte, an denen ich während meines Studiums teilnehmen könnte. Es war für mich damals offensichtlich: Ich hatte keine andere Wahl als Deutschland.
Das klingt nach Schicksal! War dein Weg nach Deutschland reibungslos? Oder eher viel Arbeit und Mühe?
Ich kann nicht sagen, dass mein Weg unbedingt nur nach Deutschland führt, denn in einem Monat gehe ich wieder nach Russland, ohne den festen Plan wieder zu kommen. Aber bis jetzt war das alles zusammen: Schicksal, Mühe, Arbeit und ganz viel Spaß.
Von Januar bis März machtest du ein Praktikum bei “ZEIT Online”, hattest davor schon journalistische Erfahrung gesammelt. Wohin hat dich dein Weg geführt?
Zunächst machte ich während des Studiums mein Praktikum bei der Zeitung “Nowaja Gaseta”, wo übrigens Journalistin und Aktivistin Anna Politkowskaja (Sie war am 7. Oktober 2006 im Treppenhaus vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen worden.) gearbeitet hat. Und mein allererster Schritt im deutschen Journalismus war bei der “Paralympischen Zeitung”, einem Projekt des “Tagesspiegels”. Als ich am Stipendienprogramm des deutsch-russischen Forums für Nachwuchsjournalisten teilnahm, wurde auch in der “Badischen Zeitung” publiziert. Dann schrieb ich auch für das studentische Magazin “Heuler” in Rostock und den Berliner “Tagesspiegel”. Und 2015 hatte ich ein Praktikum bei der “Deutschen Welle”.
Das hört sich nach viel Erfahrung für eine 23-Jährige an! Was war bis jetzt das Schwierigste?
Vor allem die Sprache. Ich bin keine Muttersprachlerin. Es fällt mir manchmal schwer meine Gedanken auf Deutsch zu formulieren. Ich habe häufig riesige Lücken – leider. Klar, es war nie ein Problem, Hilfe von einem Kollegen zu bekommen. Im Prinzip müssen die in Muttersprache geschriebenen Artikel auch korrigiert werden. Aber wenn du Deutsch nur als Fremdsprache an der Uni lernst, musst du dir viel selbstständig beibringen. Sonst fühle ich mich eigentlich in einer deutschen Redaktion viel besser als in einer russischen Redaktion, weil es hier keine verbotenen Themen gibt, die man um keinen Preis anfassen darf. Das hängt nicht von der konkreten Redaktion ab, sondern davon, dass die Lage in der medialen Branche zur Zeit schwierig ist. Man kann sich leider nicht zu jedem Thema äußern. Obwohl ich das eher von Freunden und Bekannten weiß, die als Journalisten arbeiten. Ich selbst habe nicht so viele Erfahrung in Russland gesammelt.
Ausfällig ist, dass du bei der “Deutschen Welle” in der russischen Redaktion warst. Hast du dich da wie in Russland gefühlt?
Alle sprechen da natürlich Russisch, deswegen fühlte ich mich wie zu Hause. Aber die Leute waren sehr pünktlich. Das ist die reine/sehr deutsche Eigenschaft. In Russland kommt man immer zu spät in die Redaktion und das stört niemanden. In der “Deutschen Welle” waren alle auch sehr direkt, obwohl sie freundlich und lieb waren. Wenn sie kritisieren, kritisieren sie nett aber scharf. In einer russischen Redaktion machen das Journalisten nicht so gern. So würde ich sagen, die “Deutsche Welle” ist eine Mischung aus einer deutschen und einer russischen Redaktion.
Viele deutsche Nachwuchsjournalisten würden auch gerne ein Praktikum im Ausland machen. Was muss man in diesem Fall für einen guten Start mitbringen?
Ich würde sagen, die deutsche Nachwuchsjournalisten müssen viele lokale Medien lesen oder schauen, um sich besser auszukennen. Und natürlich, die jeweilige Sprache lernen! Außerdem müssen sie möglichst viele Kontakte pflegen. Der Kontakt ist alles in unserem Beruf. Du fragst einfach, ob du für dieses oder jenes Medium schreiben oder ein Praktikum hier oder da absolvieren kannst. Für mein Praktikum bei “Zeit Online” habe ich zuerst meine Bekannte gefragt, ob es überhaupt möglich ist. Sie hat mich dann zu einem Redakteur weitergeleitet, bei dem ich mich nach der Bewerbung und den Voraussetzungen erkundigt habe. Der erste Schritt war dank dieser Bekanntschaft. Ich muss aber betonen, das war natürlich nicht so, dass jemand mich über Bekanntschaft hineingezogen hat. Das ist eine nutzbringende Bekanntschaft, wenn beide Seiten irgendwelche Vorteile gewinnen können. Ich habe auch einmal einem deutschen Journalisten über das „Peter Boenisch Fellowship“ informiert und er wurde damit ausgezeichnet und hat 2.000 Euro gewonnen, obwohl er vorher gar nicht über den Preis Bescheid gewußt habe (obwohl er den Preis gar nicht kannte).
Über Kontakte geht also alles. Wie können jedoch Bewerber, die noch nicht über ein derartiges Netzwerk verfügen, ihre Chancen verbessern?
Ein(e) Bewerber/-in muss versuchen zu beweisen, warum es für dieses oder jenes Medium wichtig und gut wäre, eben ihn/sie zu nehmen. “Ich kann zu allen Themen schreiben” reicht nicht. Man sollte sich genau ausdrücken: Ich weiß das und das, ich habe das und das recherchiert. Die ausländischen Journalisten haben gewisse Vorteile. Sie kennen sich besser im Background des jeweiligen Landes aus, als deutschen Journalisten. Sie sind nicht einfach dorthin gereist. Sie wissen ganz genau, wie es ist, da zu leben, und bringen diese Erfahrung mit.
Gute Tipps! Aber wie sollten Nachwuchsjournalisten sich motivieren, ihr Engagement aufrechtzuerhalten, wenn sie die ständige harte Konkurrenz im Nacken haben?
Was die deutsch-russische Beziehung angeht, ist die Konkurrenz nicht so hoch. Die allerersten Voraussetzungen für die russischen Bewerber sind Deutschkenntnisse. In Russland sprechen nicht so viele Journalisten Deutsch. Aber hier in Deutschland gibt es viele Menschen, die die Russisch oder Deutsch perfekt beherrschen. Da ist die Konkurrenz relativ stark.
Herrscht dieselbe Situation für die ausländischen Journalisten in Russland?
So weit ich weiß, gibt es nicht so viele ausländische Journalisten, die für die russischen Medien arbeiten und auf Russisch schreiben würden. Es gibt zum Beispiel die “Moskauer Deutsche Zeitung”. Da schreibt man auch auf Deutsch. Sie nehmen gerne und oft Praktikantinnen und Praktikanten aus Deutschland.
Zur Person
Anastasia Arinushkina (23) kommt ursprünglich aus der Provinz Russlands, studiert aber im vierten Mastersemester Mediadesign an der Lomonossow-Universität in Moskau. Sie ist freie Journalistin für den “Tagesspiegel” und das russische Onlinemedium “RBK Style”. Anfang 2017 machte sie ein Praktikum bei “ZEIT Online”. Anastasia ist auch ehemalige Gastredakteurin und Praktikantin bei der “Deutschen Welle”, der “Badischen Zeitung”, dem “Heuler” und bei den russischen Medien (“Novaya Gazeta”, “Gudok”).