Schulbank drücken für den Traumberuf - Praxiskiste
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Schulbank drücken für den Traumberuf

RTL-Chef-Moderator Peter Kloeppel, SZ-Korrespondent Thomas Urban oder Schriftstellerin Ildikó von Kürthy – zahlreiche bekannte Journalisten haben die Henri-Nannen-Schule in Hamburg besucht. Kein Wunder, dass viele Nachwuchsjournalisten davon träumen, es ihnen gleich zu tun. Doch nur wenigen gelingt die Aufnahme an der Journalistenschule. Die Aufnahmebedingungen sind schwer, der Journalistenalltag hart. Wie traumhaft ist die Ausbildung wirklich? Ein Feature von Julia Schmied.

 

Beim Betreten des alten Kontorhauses nahe des Hamburger Hafens bemerkt man sofort, dass dies nicht irgendein Gebäude ist. Nein, es hat etwas Magisches an sich. Mit den Schnitzereien und Verzierungen im dunkelbraunen Holz wirkt es wie ein altes Schloss. Hinter der Tür in der vierten Etage findet man jedoch das komplette Gegenteil vor: hochmoderne Seminarräume und Büros, ausgestattet mit den neuesten Apple-Computern, Regale gefüllt mit Zeitschriften. Wir befinden uns in den Räumen der Henri-Nannen-Schule (HNS), eine der wenigen Journalistenschulen in Deutschland.

Hier wird gezielt das journalistische Handwerk trainiert – 18 Monate lang. Vier Seminarblöcke an der Schule und vier Praktika wechseln sich ab. Wer wenig journalistische Vorerfahrung mitbringt, sollte sein erstes Praktikum in der Lokalredaktion einer Tageszeitung absolvieren, erklärt Thilo Neumann, Schüler an der HNS. Für die anderen Praxisstationen stehen Praktikumsplätze in rund 50 Redaktionen zur Wahl. Im Gegensatz zum Volontariat bietet die Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule mehr Varianz. Man bleibt nicht nur in einer Redaktion, sondern kann Praktika im Ausland, beim Fernsehen oder auch beim Radio absolvieren, erklärt Renate Lehnert, seit 24 Jahren Büroleiterin der Henri-Nannen-Schule.

Die meisten Schüler kommen mit abgeschlossenem Studium an die HNS. Nur wenige beginnen die Ausbildung direkt nach dem Abitur. Auch Thilo Neumann hat ein abgeschlossenes Studium im Bereich Medienwissenschaft und Medienmanagement und war anschließend als Projektmanager in einem Verlag tätig. Über die Journalistenschule hat der 30-Jährige den Einstieg in den Journalismus gefunden – und sein Hobby zum Beruf gemacht.

–– Hauptsächlich deutschsprachige Schüler ––

Die Schule ist darauf spezialisiert, Nachwuchs-Journalisten auszubilden. Eine Altersgrenze gibt es nicht. Da die Schüler die deutsche Sprache perfekt beherrschen müssen, ist der Migranten-Anteil gering. Es absolvieren aber Schüler aus deutschsprachigen Ländern, wie zum Beispiel der Schweiz oder Österreich, die Ausbildung. Im neuen Bewerbungsverfahren wünsche sich die Schule mehr Schüler mit Migrationshintergrund, sagt Renate Lehnert.

Die Bewerbungsphase für den aktuellen Lehrgang an der Henri-Nannen-Schule startete Ende Dezember 2015. In der Vergangenheit gab es durchschnittlich 1900 bis 2300 Bewerber – Tendenz sinkend. Die Zahl sei bereits in den letzten Jahren rückläufig gewesen, erklärt Büroleiterin Lehnert. »Im Moment sind die Medien negativ behaftet, besonders die Printmedien.« Als weiteren Grund für die nachlassenden Bewerberzahlen nennt sie die vielen gestrichenen Stellen im Journalismus.

–– Die Bewerbung hat es in sich ––

Nach der Registrierung recherchieren und schreiben die Bewerber zwei Texte zu vorgegebenen Themen. Die besten 80 Bewerber werden nach Hamburg eingeladen. In einer dreitägigen Finalrunde wählt eine Jury die Top 16 aus. Bei diesem strengen Auswahlverfahren lastet ein hoher Druck auf den Bewerbern. Auch für Thilo Neumann war klar: »Ich wäre enttäuscht gewesen, nicht unter die letzten 80 Kandidaten zu kommen. Dennoch hatte ich während der Auswahltage nicht damit gerechnet, am Ende einen Platz an der Schule angeboten zu bekommen.« Die Kandidaten müssen sich nicht nur in einem Auswahlgespräch mit der Jury beweisen, sondern auch einen Wissenstest und Bildertest bestehen. »Die größte Hürde war für mich der Wissenstest«, erzählt Neumann.

Zu der Aufnahmeprüfung gehören auch das Redigieren eines Nachrichtentexts und das Schreiben einer Reportage. Martin Scheufens empfand diese Aufgabe als am schwierigsten: »Es ist anspruchsvoll, in der kurzen Zeit Menschen auf der Straße anzusprechen und ein spannendes Thema für die Reportage zu finden.« Der 28-Jährige ist einer der wenigen, die vor Beginn der Ausbildung eine Naturwissenschaft studiert haben; die meisten kommen aus Bereichen der Geisteswissenschaften wie Germanistik oder Anglistik. Scheufens hat in Physik seinen Master gemacht und sich anschließend an der Henri-Nannen-Schule beworben.

–– »Qualität kommt von Qual« ––

Doch nicht nur die Aufnahmeprüfungen sind kein Zuckerschlecken, auch das Arbeitsleben während der Ausbildung ist für die Mitte bis Ende 20-Jährigen nicht immer einfach. Oft müssen die Schüler bis spät abends und nicht selten auch am Wochenende arbeiten. Ist ein Text fertig, wird dieser intensiv besprochen, »und zum Teil von den Dozenten im Plenum auch wirklich hart kritisiert«, sagt Thilo Neumann. »Wenn dein Text vorne zerrissen wird, ist das am Anfang schon hart.« Nicht umsonst ist der Leitspruch der Henri-Nannen-Schule: »Qualität kommt von Qual.« Dieses Zitat stammt von Wolf Schneider, dem ersten Schulleiter der Journalistenschule. Es ist noch heute, in Marmor gemeißelt, über der Tür des Hörsaals zu finden. Doch trotz der harten Arbeit überwiegt laut Neumann der Spaß.

Nach der Ausbildung steht den Schülern der Weg in den Journalismus offen. Absolventen der Henri-Nannen-Schule arbeiten heute in den verschiedensten Redaktionen oder als freie Reporter. Auch in Führungspositionen findet man ehemalige Nannen-Schüler wie Peter Kloeppel, bis 2014 RTL-Chefredakteur. Wie es bei Martin Scheufens und Thilo Neumann nach der HNS weitergeht, wird sich zeigen. Scheufens plant eine Karriere als Wissenschaftsjournalist; Neumanns Leidenschaft liegt im Bereich der Sportpolitik, beispielsweise möchte er über Dopingfälle berichten.

 

Julias Schmied

Julia Schmied (Gastautorin) – Die Studentin der Medienwissenschaft und Germanistik ist stark mit ihrer Heimat verwurzelt, scheut sich aber auch nicht, die Welt zu bereisen. Sie interessiert sich sehr für Sport und das Leben der Stars.